Ausgabe 2017 Seite 6 – 10
Digitale Leistungserfassung im Straßenbetriebsdienst
Im Bodenseekreis ist nun der Tablet-PC eines der wichtigsten Werkzeuge der Straßenwärter. Denn die drei Straßenmeistereien des Kreises sind der Vision eines durchweg digital gesteuerten Betriebsdienstes schon ziemlich nahe.
Mit eigens entwickelten Softwaremodulen werden dort Winterdienstrouten geplant, Streckenkontrollen dokumentiert, Baumkontrollen durchgeführt, Pflegearbeiten geplant und Schäden aufgenommen.
Alle diese Daten werden medienbruchfrei dokumentiert und verarbeitet. Sogar die Leistungsabrechnung nach TvöD und mit externen Leistungsbringern wird darüber abgewickelt.
„Nachdem sich der Bodenseekreis 2013 für eine Telematikanwendung zur Steuerung, Datenerfassung und Abrechnung der Winterdienstleistungen entschieden hatte, wuchs die Erkenntnis, dass mit der eingesetzten Software noch weitere Leistungsdaten des Straßenunterhaltungs- und Betriebsdienstes digital erfasst und mittels einer Schnittstelle direkt in LuKAS eingepflegt werden können“, erklärt Gerhard Hermle, Projektleiter beim Straßenbauamt des Bodenseekreises. Denn wenn die Streudatenerfassung und Streckenortung bei den Winterdienstfahrzeugen funktioniert, warum dann nicht beispielsweise auch bei den Streckenkontrollen? „Wir wollen nicht nur Salzmengen papierlos erfassen, sondern auch Schlaglöcher“, so Hermle, wie es zu der zündenden Idee kam, aus dem Winterdienstprogramm eine neue Form des Planens, Steuern und Dokumentierens zu machen.
Denn die Aufgaben des Straßenbetriebsdienstes werden immer umfangreicher, müssen aber im Vergleich zu früheren Jahren mit einer immer wieder reduzierten Anzahl von Mitarbeitern durchgeführt werden. Um die Qualität der Arbeit weiterhin aufrecht erhalten zu können, müssen die Prozesse beschleunigt und die Mitarbeiter von zeitintensiven administrativen Tätigkeiten entlastet werden. Da kam der konsequente Umstieg ins digitale Zeitalter für die Straßenmeister und – wärter des Bodenseekreises gerade recht.
Folgende Anforderungen sollte die neue Technologie erfüllen:
- Im Winterdienst müssen alle relevanten Daten digital und baulastträgerbezogen erfasst und über die Schnittstelle nach LuKAS übertragen werden.
- Die erbrachten Leistungen im übrigen Straßenunterhaltungs- und Betriebsdienst, sollen einheitlich nach dem im Leistungsheft, Tarifvertrag und Dienstvereinbarungen hinterlegten Regeln und Zulagen mittels eines digitalen Formulars vorgegeben werden und über die Schnittstelle nach LuKAS übertragen werden.
- Optimierung der Steuerungsmöglichkeiten für den Straßenmeister.
- Dokumentation der Leistungen und Streckenkontrolle sollen einfach, schnell auffindbar und gerichtsverwertbar abgespeichert werden.
- Die Straßenmeister, Bürokräfte und andere Mitarbeiter sollen von administrativen Tätigkeiten entlastet werden.
Partnersuche und Beginn der Umsetzung
Auf Basis der Erfahrungen anderer Straßenbauämter im Land mit deren Telematikanwendungen im Winterdienst und den Daten aus Marktbeobachtungen, hat der Bodenseekreis entschieden, den passenden Partner mittels Teststellungen zu identifizieren. Für diesen Test wurden verschiedene Parameter und eine Anforderungsmatrix erstellt. Jede Straßenmeisterei testete alle Produkte und führte auf Basis der Matrix eine Bewertung durch. Dadurch konnte eine objektive Bewertung und Auswahl erreicht werden, um zunächst den Winterdienst zu digitalisieren.
„Neben der Aufzeichnung der Winterdienst-Routen via GPS, der Erfassung der Streustoffmengen und Fahrzeug- und Geräte- Einsatzzeiten stellte auch die automatische Rechnungserstellung für die Fremdunternehmer, deren Verträge im System hinterlegt wurden, eine Grundvoraussetzung dar“, sagt Gerhard Hermle. Die Übertragung der digital erfassten Daten nach LukAS, durch Programmierung einer LuKAS Schnittstelle, sei deshalb eines der wesentlichen Kriterien für die Vergabe gewesen, so der Verwaltungsmanager. Landesweit war der Bodenseekreis dann auch die erste Stelle, die die digital erfassten Daten direkt in LuKAS einspielen konnte. Weitere wesentliche Punkte in der Anforderungsmatrix sind insbesondere die Datensicherheit durch den Betrieb in einem BSI-zertifizierten Rechenzentrum, der Einsatz von Standard-Hardware-Software, eine sehr hohe Benutzerfreundlichkeit, die Unabhängigkeit von Herstellern und die Ortsnähe des Anbieters um einen schnellen und guten Support zu gewährleisten.
Im ersten Schritt sind dann ab dem 1. Januar 2014 die Winterdiensteinsätze der Fremdunternehmer digital erfasst worden. Die dadurch gewonnenen Daten und Einsichten wurden frühzeitig mit dem Betriebspersonal und dem Personalrat des Landratsamts besprochen, so dass schon drei Monate später auch die eigenen Fahrzeuge mit der neuen Technik ausgestattet wurden.
Noch mehr Ideen
„Die ersten Erfahrungen mit der digitalen Datenerfassung des Winterdienstes zeigte schnell, dass die Vision einer digitalen „Straßenbetriebsdienstwelt“ mit der eingesetzten Software durchaus möglich ist“, erinnert sich Hermle. Gemeinsam mit dem engagierten und lösungsorientierten Projektpartnern und den motivierten Mitarbeitern der Straßenmeistereien sei deshalb ein kreativer Prozess in Gang gekommen, der eine Vielzahl von Ideen hervorgebracht hat. Schnell sei dabei aber klar geworden, dass diese nicht alle auf einmal, sondern Schritt für Schritt in einem strukturierten Prozess entwickelt, getestet und eingeführt werden müssen, so Hermle. Dafür wurde im Landratsamt Bodenseekreis eigens eine Arbeitsgruppe gebildet, in der alle beteiligten Stellen und Ebenen eingebunden waren.
Durch die Nutzung der LuKAS-Schnittstelle können bereits heute alle relevanten Daten automatisch erfasst werden. Das ist ein deutlicher Schritt in die Zukunft, insbesondere mit Blick auf eine landesweit anzustrebende ergebnisorientierte Steuerung des Straßenbetriebsdienstes. Nur so können nach Auffassung des Bodenseekreises, die knappen Finanzmittel die dem Betriebsdienst landesweit zur Verfügung stehen, zielgerichtet eingesetzt werden. Weiter sollte unbedingt erreicht werden, die Mitarbeiter von Schreibarbeit und administrativen Prozessen zu entlasten und zudem eine einheitliche Datensicherheit in allen Straßenmeistereien zu erhalten.
Bevor aber daran gedacht werden konnte, diese Systemerweiterung zu beauftragen oder gar zu realisieren, waren noch einige Herausforderungen zu bewältigen: Hier galt es zum einen natürlich, die Geldgeber zu überzeugen, dass ohne Digitalisierung eine Zukunft des Straßenbetriebsdienstes nicht möglich ist.
Darüber hinaus hatte auch der Personalrat ein gewichtiges Wort mitzureden. Denn die digitale Datenerfassung bringt für die Mitarbeiter zwar eine Entlastung, führt aber auch dazu, dass sie per GPS jederzeit geortet werden können. Da der Personalrat aber schon im Anfangsstadium in die Planungen und Projektentwicklung mit eingebunden wurde, konnte die Überzeugung reifen, dass die Mehrwerte für die Mitarbeiter größer sind. Ebenso hat das Projektteam die IT-Abteilung des Landratsamtes von Beginn an mit eingebunden. Diese legte in konstruktiver Zusammenarbeit die Standards für die Technologie, Sicherheit und IT-Prozesse fest. Dadurch konnte auch gewährleistet werden, dass die Akzeptanz in der IT-Abteilung für die Einführung eines solchen Produkts vorhanden war.
Umsetzung der großen Lösung
Aber wie realisiert man ein derart vielschichtiges Projekt, für das es noch keine Lösungen von der Stange gibt? Klassisch nach Projektplan und Meilensteinen? „Sehr schnell war uns klar, dass die Entwicklung und Einführung aller Module nur partnerschaftlich und über definierte Zwischenziele möglich sein würde“, erinnert sich Gerhard Hermle.
Aus diesem Grund wurde die in der Softwareentwicklung mittlerweile sehr häufig eingesetzte SCRUM-Methode für die schrittweise Einführung der einzelnen Module ausgewählt. Die Methode beruht auf der Erfahrung, dass viele Entwicklungsprojekte zu komplex sind, um in einen vollumfänglichen Plan gefasst werden zu können. Meist ist sogar ein wesentlicher Teil der Anforderungen und der Lösungsansätze zu Beginn noch unklar. Diese Unklarheit lässt sich bewältigen, indem Zwischenergebnisse entwickelt werden. Anhand dieser Zwischenergebnisse lassen sich die fehlenden Anforderungen und Lösungstechniken effizienter finden als durch eine einzige abstrakte Anforderungsarchitektur ganz zu Beginn. In SCRUM wird deshalb neben dem Produkt auch die Planung iterativ und inkrementell entwickelt. Das zu entwickelnde Modul wird also kontinuierlich verfeinert und verbessert. Der Detailplan wird nur für den jeweils nächsten Zyklus erstellt. Damit wird die Projektplanung auf das Wesentliche fokussiert.
„In diese Prozessentwicklung waren und sind unsere Bürokräfte, die Straßenmeister sowie die Kolonnenführer als Endanwender detailliert eingebunden“, erklärt Projektmanager Hermle.
Fazit
Nach drei Jahren ist der Betriebsdienst des Straßenbauamts Bodenseekreis nun fast vollständig digital unterwegs. Durch den Einsatz der NetwakeVision-Softwaremodule der Firma NetwakeVision Telematik aus Überlingen wurden damit die Steuerungsmöglichkeiten optimiert, alle Daten und Dokumente sind verfügbar und gerichtsverwertbar abgespeichert. In den Prozessen werden Medienbrüche, Rapporte und Papier vermieden.
Durch die Einführung der digitalen Zeit-Leistungs- und Zulagenerfassung wurde auch die Qualität der Erfassung erhöht. Die Mitarbeiter in den Straßenmeistereien geben ihre Daten nicht mehr händisch in Formulare ein, sondern direkt mittels einer App auf dem Tablet oder Smartphone. Dadurch erhöht sich die Transparenz im Stundenkonto der Mitarbeiter und die Qualität der Betriebsergebnisse wird durch die einheitliche Buchung verbessert. Damit ist auch die Voraussetzung für eine ergebnisorientierte Steuerung geschaffen, die nach Ansicht des Bodenseekreises landesweit baldmöglichst angestrebt werden sollte. Der Vorteil der digitalen Datenerfassung konnte bereits aktuell, nach landesweiter Einführung von LuKAS 4.0 festgestellt werden, denn die über die Schnittstelle eingepflegten Daten können sofort weiter bearbeitet werden.
Das große Ganze
Entsprechend der genannten Vorgaben und der beschriebenen Vorgehensweise wurden folgende Module erarbeitet und eingeführt:
Zeit- und Leistungserfassung
Die Realisierung dieses Moduls war sowohl für den Projektpartner, als auch für die Mitarbeiter der Straßenmeistereien eine große Herausforderung, galt es doch, neben dem Leistungsheft, die Regelungen des TVöD mit all seinen Zulagen und den sonstigen Dienstvereinbarungen in diese App zu integrieren.
Unter dem Strich wurde hierfür ein Zeitraum von drei Jahren benötigt, da jede erarbeitete Version durch Testphasen in den Straßenmeistereien erprobt wurde.
Nach den entsprechenden Rückmeldungen wurden Programmänderungen vorgenommen. Beim Einsatz im Echtbetrieb konnte dadurch eine höhere Akzeptanz bei den Mitarbeitern erreicht werden. So wurde beispielsweise die Hardwareausstattung angepasst, indem Tablets als Endgeräte beschafft wurden oder der persönliche Zugang zu den Arbeitszeitdaten über einen NFC-Chip geschaffen wurde. Seit Jahresbeginn 2016 werden nun die lohn- und leistungsrelevanten Daten im Echtbetrieb erfasst.
Streckenkontrolle
Sämtliche Streckenkontrollfahrzeuge wurden mit einem GPS-Tracker ausgestattet, sodass alle gefahrenen Strecken digital erfasst werden. Die dabei erfassten Daten werden vom Programmpartner so aufbereitet, dass bei Ansicht der Bezirkskarte alle in den letzten 14 Tagen nicht befahrenen Strecken rot gekennzeichnet werden.
Baumkontrolle
Mit diesem Modul werden „Risikobäume“ georeferenziert erfasst. Soweit keine Gefahr im Verzug ist, wird das weitere Vorgehen mit dem Baumsachverständigen festgelegt. Hierzu ist für jeden Streckenkontrollbezirk eine E-Mail-Adresse eingerichtet, über die die entsprechende Korrespondenz zwischen Streckenwart und Baumsachverständigen direkt erfolgen kann. Der vorgesetzte Straßenmeister wird über den Vorgang informiert und kann die Maßnahmen bei Bedarf steuern.
Gewerke
Die nachfolgend aufgeführten Apps, die wir unter dem Oberbegriff Gewerke in einem Ordner abgelegt haben, werden von dem Straßenmeistereien selbst erstellt und ausgewertet.
Sachbeschädigung
Bisher wurden bei gewissen Arbeitsabläufen Daten teilweise doppelt bzw. dreifach „in die Hand genommen“. Wir haben die Arbeitsschritte der Sachbeschädigung analysiert und den Ablauf von der Entstehung bis zur Aufnahme in LuKAS automatisiert.
Nachdem im operativen Bereich eine Optimierung der Arbeitsabläufe durch die digitale Erfassung geschaffen wurde (siehe dazu unten stehende Abbildung), muss im administrativen Bereich nachgezogen werden.
Die in LuKAS erfassten Daten werden später erneut in eine Datenbank übernommen und schließlich bei der Rechnungsstellung erneut in das Kassen-System eingegeben.
Wie bereits erwähnt muss diese dreifache Erfassung durch die Schaffung einer Schnittstelle zum Buchhaltungssystem und die Integration der „dritten Datenbank“ in das operative Erfassungssystem ersetzt werden.
Durch diese Einfacherfassung verringert sich der Verwaltungsaufwand, darüber hinaus gibt es mehr Transparenz.
Dieser Prozess soll Ende 2017 abgeschlossen werden.